Die Eimermetapher

„Wenn der Tropfen den Eimer zum Überlaufen bringt, darf man nicht vergessen, dass der Eimer anscheinend bereits voll war“ (frei nach Adviescommissie Arbeidsongeschiktheid Donner 2001). Früher hatte man in der medizinischen Welt diesem „letzten Tropfen“ große Aufmerksamkeit geschenkt. Heute fragt man sich, wieso der Eimer so voll geworden ist und was eigentlich im Eimer drin ist. Bei individuellen Gesundheitsproblemen werden die Symptome meist zunächst durch Sehen, Hören und Fühlen untersucht. Die fünf Faktoren des Subziels IV bieten dem Manualtherapeuten die Möglichkeit, gemeinsam mit dem Patienten ein Bild von den Schichten zu entwickeln, die den Eimer des Patienten gefüllt haben. Der Eimer steht dabei für die Gesamtbelastbarkeit des Patienten. Die Grenze der Belastbarkeit wird erreicht, wenn der Flüssigkeitsspiegel den Rand des Eimers erreicht. Anschließend versucht man eine Einschätzung darüber, welche Schichten in dem Eimer wohl beeinflussbar sind, damit der Flüssigkeitsspiegel in ihm wieder deutlich absinkt, um somit den Wiederherstellungsprozess in Gang zu setzen.

Eimermetapher

Die Eimermetapher. a: Die fünf Faktoren, die eine Wiederherstellung stören, füllen allmählich den Eimer. b: Der Eimer ist voll. Es fehlt nur noch ein Tropfen, um ihn zum Überlaufen zu bringen. c: Der Eimer läuft wirklich über. d: Nachdem der Patient gemeinsam mit dem Manualtherapeuten einen kleinen Auslass entdeckt, kann er zukünftig verhindern, dass der Eimer vollläuft.

Die beschriebene Analyseform bietet ein gutes Bild von der Verletzungsanfälligkeit und Empfindlichkeit des Betroffenen und besitzt einen präventiven Wert. Die Eimermetapher kann zur rechten Zeit verdeutlichen, dass ein minimales (Knöchel-)Trauma große Folgen haben kann. Das Herstellen (ungerechtfertigter) monokausaler Zusammenhänge zwischen einem leichten Stoß beim Sport und einer schweren Knöchelverrenkung mit Dérangement interne infolge von freien Gelenkkörpern, einem Sprint zum Bus und einer kompletten Achillessehnenruptur oder dem Aufheben einer Briefmarke und einer lumbalen Diskusläsion kann mithilfe der Eimermetapher der Vergangenheit angehören. Im Gegensatz zur früheren Auffassung in der Leitlinie zu tiefen Rückenschmerzen wird der Patient hier nicht mehr davon abgehalten, so schnell wie möglich wieder aktiv zu sein und vor allem nach kurzer Zeit bereits wieder – und jetzt technisch gut vorbereitet – Sport zu treiben, zum Bus zu rennen und sich zu bücken. Zudem sieht man hier, mit wie geringen Anpassungen der Lebensführung der Patient ein würdiges und beschwerdefreies Leben führen kann, trotz verschiedener kleiner Läsionen, einer beträchtlichen Menge Stress, wenig Körperbewegung und einer generalisierten Arthrose. Die Eimermetapher verdeutlicht, wie ein vergleichsweise geringes Trauma große Folgen haben kann, warum eine Wiederherstellung verzögert verläuft oder ganz ausbleibt, warum die Schädigung und die Beschwerden weiter zugenommen haben und warum Schmerzen und/oder Beschwerden vorliegen, ohne dass eine medizinisch nachweisbare Ursache gefunden werden könnte (unspezifische Schmerzen).